Die Verbindung zum Partner ist das absolut Wichtigste beim Tanzen. Ohne Verbindung können die Inhalte der nächsten Beiträge nicht umgesetzt werden.
Nur Anfassen macht keine Verbindung. Es muss wesentlich mehr passieren. Das versuche ich in diesem Beitrag zu erarbeiten.
Am besten starte ich mit einer Übung und erkläre anhand dieser, was zu beachten ist:
Die Körper
Die beiden Partner stehen voreinander leicht versetzt. Die rechte Fußspitze zeigt zur rechten Fußspitze des Partners. Der Führende beginnt langsam seinen ganzen Körper (ohne Füße) zum Partner zu drehen. Es sollte so langsam geschehen, dass der Folgende auf die Drehung seinerseits mit einer ähnlichen Körperdrehung leicht zeitversetzt reagieren kann.
In diesem Moment besteht schon eine Verbindung. Ein Beobachter würde sehen, wie der Führende zu drehen beginnt und der Folgende gleichzeitig in gleichem Drehungsumfang und in gleicher Geschwindigkeit mitdreht. Die Drehung selbst wird so lange fortgesetzt, bis sich beide Partner parallel gegenüberstehen. Die Füße sind das Einzige, dass sich nicht gedreht hat. Die Füße stehen somit leicht versetzt, der Rest des Körpers hingegen steht genau vor dem Körper des Anderen.
Der Korridor
Ich stelle mir dazu vor, dass die Wirbelsäule unsichtbar nach vorne durch die Brust verlängert wird. Es entsteht in Breite der Wirbelsäule ein Korridor, der von den Füßen bis zum Kopf hoch ist und bis zum Korridor des Partners reicht. Nach dieser Übung überschneiden sich beider Partner Korridore und ergeben einen.
Die Arme
Als nächstes bietet der Folgende die Arme an. Ganz langsam. Die Arme sollten nicht zu hoch oder zu tief sein. Der Körper darf sich nicht verbiegen, während die Arme gehoben werden. Die gehobenen Arme befinden sich auf einer für den Tänzer angenehmen Höhe. Auch sollte der Folgende keine Anstalten machen den linken Arm um den Körper des Partners zu legen. Das würde sich alles auf die Korridore beider auswirken und diese verändern.
Der Führende reagiert auf das Angebot und kommt den Armen des Folgenden entgegen. Keiner der Partner lehnt oder hängt am anderen. Keiner der Partner versucht seinen Körper unnatürlich zu verbiegen um dem anderen zu gefallen. Beide Partner achten darauf die Parallelität und somit den Korridor nicht zu verlieren.
Die Gefahr, die bis jetzt aufgebaute Verbindung zu verlieren, ist an dieser Stelle groß. Jeder Partner achtet darauf, dass der eigene Körper entspannt und ohne Anstrengung oder gar Schmerzen (und wenn nur ein leichtes Ziehen) stehen kann. Im Falle des eigenen entspannten Stehens ignoriert der einzelne die Wünsche des Partners.
Keine Norm! Keine Erwartungen!
Es war einer meiner der großen Schritte, mich keiner Norm oder Erwartung von irgendjemanden zu unterwerfen. Stehe ich nicht entspannt, kann ich meinen Körper nicht verwenden. Alles, was aus einer Haltung passiert, die gegen mein gutes Gefühl geht, verhindert eine Verbindung zum Partner. Finde ich keinen entspannten Weg meinen Körper als Ganzes zu verwenden, finde ich auch keinen Weg, meinen Körper mit dem meines Partners zu verbinden. Ich muss mich in mir wohl fühlen und dem Partner das auch vermitteln.
Wo waren wir?
- Rechte Fußspitze vor rechter Fußspitze des Partners.
- Der Führende dreht sehr langsam seinen Körper zum Folgenden.
- Der Folgende reagiert leicht zeitversetzt seinerseits mit einer leichten Drehung.
- Beide drehen so lange, bis ihr gesamter Körper genau vor dem Körper des anderen steht.
- Die Korridore beider Partner überschneiden sich und bilden einen.
- Der Folgende Partner bieten die Arme an. Der Führende Partner kommt den Armen entgegen.
- Beide berühren sich auf einer Höhe, die dem Einzelnen angenehm ist.
Die Hände
Die rechte Hand des Führenden sollte, wenn es bequem machbar ist, sich näher dem Schulterblatt als der Hüfte anlegen. Die linke Hand des Führenden sollte die rechte Hand des Folgenden sanft mit den Fingern umschließen. Ohne Kraft aber auch ohne zu weich zu sein.
Die linke Hand des Folgenden sollte den Partner so anfassen, dass sie ihn nicht wegstößt, sondern einlädt näher zu kommen, ohne ihn zu ziehen. Die rechte Hand des Folgenden erwidert den leichten Druck des Partners mit ähnlicher Energie ohne Kraft zu verwenden.
In den Armen und Händen spüren beide ihren ganzen Körper. Die Arme und Hände agieren nicht ohne den Körper. Sie sind Teil des Körpers. Der Partner möchte den Körper in der Hand spüren und nicht die Hand, die sich selbstständig macht. Auf offene Haltungen und andere Positionen gehe ich später näher ein.
Ich sehe meinen Partner an. Nicht nur mit den Augen. Mit dem ganzen Körper. Mit meinen Gefühlen. Alles ist zum Partner ausgerichtet.
Vom Zusammenspiel von Denken, Fühlen und Tanzen
In unserem Alltag sind wir es gewohnt, auf der sprachlichen Ebene zu kommunizieren. Tänzer erwarten im Unterricht für gewöhnlich, dass sie eine genaue Anweisung bekommen, wie Schritte auszuführen sind, step by step, wie die Gebrauchsanleitung eines technischen Haushaltsgeräts. Jeder der schon einmal getanzt hat, weiß auch, dass dieses System nur leidlich auf einer sehr oberflächlichen Ebene funktioniert. Natürlich, für den „Pflichtwalzer“ den man einmal im Jahr bei einem Fest tanzt, genügt es. Aber mit Tanzen im Verständnis einer innigen Verbindung zwischen zwei Menschen, die sich führend und folgend fortbewegen, hat das ganze nichts zu tun.
Aus der Neurobiologie und Psychologie weiß man, dass das psychische Erleben das Körpergeschehen beeinflusst. Offensichtlich wird dies in beobachtbaren Faktoren wie Körperhaltung, Muskeltonus und mit thermischen Verfahren kann sogar die Veränderung der Wärmeverteilung im Körper sichtbar gemacht werden. Gefühle, die durch innere Bilder erzeugt werden, steuern dieses Körpergeschehen.
Im Tanzen können neue Erfahrungen gemacht werden, indem das bewusst – überlegte Handeln, welches über Sprache und Kognitionen gesteuert wird, zu Gunsten des Körperselbst, welches sich durch (innere) Bilder, Emotionen und Körperempfindungen speist, hinten angestellt wird. Hierfür ist es notwendig, das, was als Ich – Erzeugung bezeichnet wird, vorübergehend „abzustellen“, um im Partner und in der aktuellen Tätigkeit, dem Tanzen, ganz aufzugehen. Dieses Erleben wird auch als Flow bezeichnet. Lässt sich ein Tänzer auf diese „fühlende“ Art des Tanzens ein, lassen sich vollkommen neue, sprachlich nicht beschreibbare Qualitäten, insbesondere in der Verbindung zwischen den Partnern, erreichen. Die damit einhergehende neue Körperhaltung, motiviert durch das damit verbundene innige Gefühl zur dauerhaften Umsetzung. Auch von außen ist diese neue Qualität sichtbar: die Paare strahlen regelrecht, weil sie authentisch und verbunden sind.
Wer mehr über das Zusammenspiel von Körper und Psyche unter wissenschaftlichen Aspekten lesen möchte, dem seien v.a. Arbeiten von Storch, Hüther, Cantieni und Tschacher empfohlen.